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Saatkrähen
Die Saatkrähe (Corvus frugilegus) (Vogel des Jahres 1986) gehört zur Familie der Rabenvögel und ist ein sehr intelligentes, soziales und anpassungsfähiges Tier. Sie hat eine Körperlänge von etwa 46 cm, wiegt zwischen 400 und 500 Gramm und hat ein schwarzes (metallisch glänzendes) Gefieder sowie schwarze an den Schenkeln befiederte Beine. Unverkennbar ist ihr langer spitzer Schnabel mit der hellgrauen unbefiederten Schnabel-basis, der sie von der gleichgroßen Rabenkrähe unterscheidet.
Als ehemaliger Steppenbewohner bevorzugt die Saatkrähe weite, offene Kulturlandschaften mit vereinzelten Gehölzgruppen und mit einem hohen Anteil feuchter Wiesen und Weiden. Der anpassungsfähige Allesfresser ernährt sich von Samen, Keimlingen, Beeren und Früchten, ergänzt um Regenwürmern, Insekten und deren Larven sowie Schnecken und Mäusen.
Die Saatkrähe ist ein Baumbrüter und nutzt traditionelle Brutplätze in hoch wachsenden Baumbeständen. Werden Saatkrähenkolonien im Freiland mutwillig gestört, können sie sich als ausgesprochene Kulturfolger dem „menschlichen Umfeld“ sehr gut anpassen und verlagern ihre Kolonien dahin, wo das Nahrungsangebot entsprechend reichhaltig ist.
Die in monogamer „Mehrjahres- oder Dauerehe“ lebenden Saatkrähen bleiben das ganze Jahr über zusammen und besuchen spätestens nach Abschluss der Mauser (Ende Oktober) mit zunehmender Regelmäßigkeit die Brutkolonie. Es bilden sich Kolonien, die je nach Standortgunst aus deutlich mehr als hundert Nestern bestehen können. Ab Januar finden sich die Saatkrähen dann nahezu täglich an ihren späteren Brutplätzen ein. Der Nestbau kann ab der zweiten Februarhälfte erfolgen, meistens jedoch erst im März. Die Eiablage mit drei bis vier Eiern pro Vollgelege beginnt Ende März/Anfang April. Nach ungefähr 15 Tagen Brutzeit schlüpfen die Jungen, die nach weiteren rund 30 Tagen das Nest verlassen.
Rechtliche Situation
Die Saatkrähe gehört zu den europäischen Vogelarten entsprechend der EU-Vogelschutzrichtlinie und ist gem. § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 12 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützt.
Nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, ihnen nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Darüber hinaus ist es untersagt, sie während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs-und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Schließlich ist es untersagt, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der Saatkrähen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG kann die Untere Naturschutzbehörde von den Verboten des § 44 im begründeten Einzelfall Ausnahmen zulassen.
Entwicklung der Saatkrähen in Emmerich am Rhein
Bei den Krähen im Emmericher Stadtgebiet handelt es sich nach den Beobachtungen und Kartierungen der Unteren Naturschutzbehörde (Kreis Kleve) um Saatkrähen (Corvus frugilegus).
Im Jahre 2003 gab es im Innenstadtbereich gerade einmal sieben Kolonien, die größten am Bahnhof mit 269 Nestern, am Landhaus "Eine Welt" mit 212 Nestern und an der Rheinbrücke mit 186 Brutpaaren. Bereits damals gab es im Rheinpark eine Kolonie von 105 Brutpaaren. Insgesamt betrug die Anzahl besetzter Nester 835, die sich im Wesentlichen über das eigentliche Innenstadtgebiet verteilten, sieht man einmal von dem Vorkommen an der Auffahrt zur Rheinbrücke und vereinzelt im Aussenbereich ab.
In den letzten Jahren ist es zu einer massiven Verlagerung und Versplitterung von Saatkrähen-Kolonien und gleichzeitig zu einer starken Reduzierung des Saatkrähenbestands gekommen. Bereits 2008 wurden nur noch 595 Brutpaare insgesamt gezählt. Seitdem hat ihre Zahl bis 2017 kontinuierlich auf 260 Nester Brutpaare abgenommen, seitdem ist wieder ein leichter Anstieg (auf 300) zu verzeichnen. Die Standorte an der Rheinbrücke, am Bahnhof, am Landhaus Eine Welt in Vrasselt, an der Schleuse, bei den Probatwerken, an der Kläranlage sowie am Krankenhaus sind inzwischen überwiegend erloschen. Dafür sammeln sich die Saatkrähen heutzutage schwerpunktmäßig im Rheinpark, an der Europa-Hauptschule, an der Michael-Grundschule in Praest, an der Weseler Strasse und am Friedhof.
Gründe für die Verlagerungen bzw. die Veränderung der Tierbestände sind zum Teil Fällungen von Baumbeständen (z. B. am Bahnhof), vermutlich aber auch andere, weiter-gehende Maßnahmen, über die sich an dieser Stelle nur spekulieren lässt. Insgesamt führen diese Eingriffe zu einer Verlagerung und einer Reduzierung des Saatkrähen-Bestands in Emmerich seit 2003 um fast zwei Drittel von 835 auf 260 Brutpaare in 2017.
2020 waren es 183 Brutpaare, 13 mehr als 2019.
Während sich der Rückgang hauptsächlich auf die Außenbereiche beschränkt, ist im Innenstadtbereich eine Zunahme der Population festzustellen, etwa im Bereich des Rheinparks. Darüber hinaus sind bis 2017 an der Baustrasse, an der Weseler Strasse, an der Dinslakener Strasse und am Friedhof komplett neue Kolonien entstanden. (Quelle: Naturschutzzentrum im Kreis Kleve.)
Verlagerung der Saatkrähen - Kolonien in die Innenstadtbereiche ist die Folge menschlichen Handelns
Für die Verlagerung der Kolonien aus dem Außenbereich in die innerstädtischen Bereiche gibt es zahlreiche Gründe.
Die natürlichen Lebensräume für die Saatkrähen nehmen immer weiter ab. Dies ist u. a. in der extensiven Landwirtschaft begründet. Zur Errichtung ihrer Nester benötigen die Saatkrähen entsprechend hohe Bäume aber auch niedrige Gebüsche und Sträucher, um entsprechend feines Nistmaterial zu finden. Nahrung, vor allem Samen, Keimlinge, Beeren und Früchte, aber auch Regenwürmer, Insekten und deren Larven sowie Schnecken und Mäuse finden sie am besten auf größeren, möglichst naturbelassenen, landwirtschaftlichen Flächen. Aufgrund der seit Jahrzehnten zunehmenden Extensivierung der Landwirtschaft fallen diese natürlichen Lebensräume für die Saatkrähe mehr und mehr weg. Außerdem führt die Fällung entsprechend hoher Bäume zum Wegfall entsprechender Nistmöglichkeiten und durch die Beseitigung niedriger Gebüsche und Sträucher finden die Tiere kein adäquates Nistmaterial mehr.
Aufgrund der weiter unten dargestellten Beeinträchtigungen stoßen die Saatkrähen an fast keiner Stelle (weder in öffentlichen, erst Recht nicht in privaten Bereichen) auf Akzeptanz. Daher ist nicht auszuschließen, dass auch verbotene Maßnahmen Einzelner gegen Saatkrähen zur Verlagerung von Kolonien geführt haben. Dies erfüllt den Tatbestand einer Straftat.
Alle Maßnahmen für sich führen zu einer Verdrängung / Verlagerung der Saatkrähen in Bereiche, in denen sie bessere Lebensbedingungen finden. In innerstädtischen Bereichen haben sich die Lebensbedingungen für Saatkrähen, - auch weil sie unter Artenschutz stehen -, erheblich verbessert. So werden die Krähen dort überwiegend nicht gejagt, vergrämt oder in anderer Weise beeinträchtigt, außerdem finden sie dort mehr als ausreichend Futter in Abfalleimern sowie in Form weggeworfener Lebensmittel und Essensreste; teilweise werden sie sogar von Menschen gefüttert. Diese Lebensbedingungen sind für Saatkrähen optimal.
Insofern ist die Verlagerung der Saatkrähen-Kolonien aus den Außenbereichen in die inner-städtischen Bereiche maßgeblich auch das Ergebnis menschlichen Handelns. Wären die teilweise massiven (verbotenenen) Eingriffe in die natürlichen Lebensräume der Saatkrähen nicht erfolgt, so hätte sich die Verlagerung, wie sie in den vergangenen Jahren / Jahrzehnten festzustellen ist, so vermutlich nicht eingestellt.
Problematik: Lärm und Schmutz verursacht durch Saatkrähen
Die Belastungen, die in Form von Verunreinigungen und Lärm von den Saatkrähen ausgehen, haben in den letzten Jahren insbesondere im Innenstadtbereich kontinuierlich zugenommen. Betroffen sind insbesondere der Bereich des Rheinparks, der verschiedenen Schulgelände und Kindergärten, aber auch Bereiche an der Baustrasse und an der Kirche in Vrasselt. Darüber hinaus gibt es auch regelmäßig Beschwerden von Eigentümern bzw. Nutzern von Privatgrundstücken, in deren Baumbeständen sich ebenfalls Saatkrähen angesiedelt haben.
Als Argumente werden die Hygiene und Gesundheitsgefährdung, die Optik und Lebens-qualität, die nur noch eingeschränkt mögliche Nutzung von Straßen oder Gehwegen sowie schließlich die nicht unerhebliche Lärmbelästigung angeführt.
Die Stadt Emmerich am Rhein ist sich ihrer Verantwortung in diesem Zusammenhang bewusst und hat sich ausführlich mit dieser Thematik und etwaigen Lösungsmöglichkeiten auseinander-gesetzt. Leider sind Handlungsmöglichkeiten (sowohl für die Stadt, als auch für Privatpersonen) nur sehr eingeschränkt gegeben, da die Saatkrähen unter Artenschutz stehen.
ABER: Es gehen - laut Gesundheitsbehörde des Kreises Kleve - keine Gesundheitsgefahr vom Kot der Saatkrähen aus.
Auf Nachfrage der Stadt Emmerich am Rhein wurde seitens des Gesundheitsamtes mitgeteilt, dass eine definierte Gesundheitsgefährdung vom Kot der Saatkrähen nicht ausgehe. Dies hat der Kreis Kleve bereits mehrfach öffentlich verlautbart, insofern scheiden populations-reduzierende Maßnahmen (aus Gründen der Gesundheitsgefährdung oder des Seuchen-schutzes) aus.
Effektive Maßnahmen sind nicht zulässig, und zugelassene Maßnahmen sind wenig effektiv oder sogar kontraproduktiv.
Nachfolgend wird auf die zulässigen und unzulässigen Maßnahmen kurz eingegangen:
Eine effektive, längerfristige und gesamtstädtisch verträgliche Lösung des Problems lässt sich erreichen, wenn Krähenpopulationen nur an besonders sensiblen Standorten im Innenstadtbereich reduziert werden.
So hat die Stadt Emmerich am Rhein in den vergangenen Jahren meist eine Ausnahmegenehmigung für ihre Vergrämungsmaßnahmen (Entnahme halbfertiger oder fertiger Nester aus den Bäumen) erhalten und entsprechend die Anzahl der Saatkrähenpaare an einzelnen, besonders sensiblen Standorten wie im Rheinpark und im Kindergarten an der Goldsteege in Grenzen halten können, zumindest solange bis es zur Eiablage kam. Während bis zu diesem Zeitpunkt die Entnahme von Nestern als Ausnahme geduldet wurde, ist die die Entnahme von Eiern aus den Nestern grundsätzlich nicht zulässig.
Die Saatkrähe unterliegt auch nicht dem Jagdrecht gem. § 2 BJagdG, so dass die Möglichkeit der Bejagung (incl. Falkner) entfällt.
Die eigene Erfahrung wie auch die Diskussion unter Fachleuten zeigt, dass meist nur vereinzelt Vergrämungsmaßnahmen infrage kommen. Allerdings führen Vergrämungsmaßnahmen in aller Regel weniger zu einer eindeutigen Reduzierung der Population oder zu einer Verbesserung der Situation, sondern eher zu einer Zersplitterung der Kolonien, mit der Folge, dass sich ein Teil der Tiere neue Nistplätze in der näheren Umgebung sucht und so neue, zusätzliche Kolonien entstehen. Dabei lassen sich die Tiere jedoch nicht an bestimmte neue Standorte lenken. Das ergibt sich aus der einschlägigen Literatur und den bisherigen Erfahrungen, unter anderem aus Wesel.
Davon abgesehen wäre es natürlich zielführend, wenn den Krähen attraktive Alternativstandorte entsprechend ihren ursprünglichen Lebensbedingungen zur Verfügung stünden, die zudem durch die Bevölkerung und die Landwirtschaft akzeptiert würden. Derartige Alternativstandorte sind rar geworden und werden seitens der Verwaltung im näheren Umfeld des Emmericher Stadtkerns nur vereinzelt gesehen. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft auf den ehemaligen Standort einer Krähenkolonie im Bereich der Rheinbrücke verwiesen, die es über Jahre dort gegeben hat.
Die aktuelle Situation
In 2019 hat die Untere Naturschutzbehörde des Kreises Kleve der Stadt Emmerich am Rhein die Entnahme von Nestern im Rheinpark untersagt mit dem Hinweis auf die stark rückläufige Population. Sie wies darauf hin, dass die Stadt sog. ‚flankierende Maßnahmen‘ ergreifen könnte, die indirekt einen steuernden Einfluss auf die dortige Population haben könnten. Dazu gehört
- eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit (Presse, Internet, Flyer o. ä.), um für Akzeptanz zu sorgen bzw. über korrektes Verhalten bzw. Fehlverhalten aufzuklären (richtige Lagerung von Tierfutter; kein achtloses Liegenlassen oder Wegwerfen von Speiseresten; korrekte Entsorgung von Abfällen; Verbot, wilde Tiere zu füttern etc.),
- Austausch gegen krähensichere Abfalleimer im Rheinpark um potentielle Futterquellen zu beseitigen,
- regelmäßige Reinigungsarbeiten während der Brutzeit auf öffentlichen Flächen im Bereich des Rheinparksund seiner Umgebung, da wo die Stadt straßenreinigungspflichtig ist,
- eine während der Nestbauphase regelmäßige Entfernung von lose herumliegenden Zweigen und anderen zum Nistbau geeigneten Materialien,
- sowie eine Fortführung des bisher praktizierten Saatkrähen-Monitorings
Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt auch davon ab, dass sich die Bevölkerung an gewisse Verhaltensregeln hält wie
- keine Lebensmittel oder Essensreste unachtsam wegzuwerfen,
- die Rabenkrähen, zu denen auch die Saatkrähe gehört, generell nicht zu füttern,
- und auch im privaten Bereich entsprechende Vorsorge zu betreiben, wie etwa
- keine Lebensmittel oder Essensreste offen auf den Kompost zu geben, da die Saatkrähen, aber auch andere Tiere angelockt werden. Tierfutter sollte verschlossen gelagert werden, Saatflächen sollten mit Vlies abgedeckt und nach dem Kaffeetrinken oder dem Grillen sollten Lebensmittel und alle Reste sorgfältig weggeräumt werden. Ebenso sollen Mülleimer etc. verschlossen werden, da die Krähen sich auch Essensreste aus offenen Abfalleimern holen, selbst wenn sie in Alufolie oder Kartons verpackt sind.